Montag, 6. Februar 2017


Deutschland, Memleben (Sachsen-Anhalt):
Ehemalige Reichsabtei, Ende des 10. Jhdts. erbaut
und ehemaliges Kloster und Krypta, um 1200 errichtet



Was von außen heute nur noch wie ein ehemaliges Stadttor aussieht,
war früher der Südteil des westlichen Querhauses
einer Monumentalkirche, die um 980 erbaut wurde.



Nur die dunkel eingezeichneten Überreste
einer gewaltigen Marienkirche mit Doppelchoranlage
und je einer Apsis im Osten und im Westen sowie zwei Querhäusern
sind heute noch zu sehen.



 Diese heute noch oberirdisch erhaltenen 
Baureste gehörten zur Westapsis, ...



... bzw. zum südlichen Arm des westlichen Querhauses 
mit großem Südportal ("Kaisertor", also "Stadttor" von innen) ...



... und zur südlichen Seitenschiffswand und zum östlichen Querhaus.



 Hier eine Skizze der wenigen, noch stehenden Mauerteile
(diese sind in olivgrün eingezeichnet).

Anhaltspunkte für die zur Klosterkirche gehörende Klausur gibt es bislang nicht,
es liegt aber nahe, dass die Gebäude nördlich der Kirche angelegt waren.



Hier der Blick nach Osten mit der südlichen Seitenschiffswand rechts ...



... sowie hier eine Vorstellung davon,
wie groß die nördliche Seitenapsis und die große Mittelapsis im Osten waren.



Die alten Mauern zeugen noch heute von großer Baukunst.



Hier das Modell der berühmten Kirche St. Michael in Hildesheim
im Vergleich zu den Grundmauern der abgekommenen Monumentalkirche:

Als Sterbeort des ersten deutschen Königs,  Heinrichs I. (2. Juli 936),
sowie seines Sohnes Kaiser Ottos I. (7. Mai 973) 
ging Memleben in die europäische Geschichte ein.



So hat man sich St. Marien im Jahr 1837 vorgestellt.

Nach dem Tod seines Vaters 
stiftete Kaiser Otto II. mit seiner Gemahlin Theophanu
vor Ort ein Benediktinerkloster, dessen Konvent 
mit dem Gebetsgedenken an die kaiserliche Familie beauftragt war.

Dieses erfuhr durch die Ottonen großzügige Unterstützung
und stieg noch Ende des 10. Jhdts. zu einer bedeutenden Reichsabtei auf.



994 verlieh Kaiser Otto III., der Sohn Kaiser Ottos II.,
dem Kloster das Markt-, Münz- und Zollrecht.

1015 aber unterstellte es Kaiser Heinreich II.
der osthessischen Abtei Hersfeld,
deren Gutshof es bereits im 8. Jhdt. war.

1140 bestimmte der Abt von Hersfeld
über die Besitzungen und Einkünfte des Memlebener Klosters
und um 1187 bestand der Konvent nur noch
aus Propst, Dekan, Kustos und acht Mönchen.


 

Um 1200 erfolgte sodann der Neubau der Klosteranlage
mit einer neuen Kirche und neuen Konventsgebäuden
nordöstlich der Anlage aus dem 10. Jhdt. 
(auf der Tafel s. Kirche und Kreuzgang rechts).



Dafür wurde die erste Klosterkirche ggenüber aufgegeben
und das vorhandene Baumaterial neu verwendet.


 

Entstanden ist eine neue dreischiffige Basilika mit einem Chor im Osten,
einer darunterliegenden Krypta, einem Querhaus, einem Langhaus ...



... und einer Westfassade mit zwei Türmen und einem Westportal.




 Nach der Auflösung des Klosters im 16. Jhdt. 
erfolgte eine Umnutzung der Kirche,
die Dächer gingen im Laufe der Jahrhunderte vollständig verloren.



Übrig geblieben sind die Außenwände des Langhauses ...



... und des Chores ...



... und der Ostseite mit der Krypta darunter
sowie die Turmuntergeschosse und das Westportal.


 

Der Kirchenbau wurde von Osten nach Westen hin errichtet
und lässt den Übergang vom romanischen zum gotischen Baustil ...




... zwischen Quer- und Langhaus (Rund-/Spitzbogen) erkennen.



Die Ostapsis ist ebenfalls noch im romanischen Stil errichtet worden.



Auch einige Portale ...



... mit ihrem Tympanon darüber ...



... weisen noch romanische Stilmerkmale auf.



Hier ein Portal von innen ...



... mit einem Kelchkapitell, das für vor 1200 typisch war.



Das schönste romanische Portal aber 
befindet sich an der östlichen Nordseite des Langhauses:



Obwohl es mehrstufig gestaltet ist,
ist es wunderbar schlicht ...



... und durch die Verwitterung des goldgelben Sandsteins
einfach einmalig in seiner Art.



Dahinter sind die bereits frühgotischen Spitzbögen ...



... des Langhauses zu sehen.



In die quadratischen Löcher waren die Holzbalken
 der Decke des südlichen Seitenschiffs eingezogen.



Vom Chor im Osten ...



... ist nur noch die Basis des 5/8-Schlusses erhalten
mit den Rundbogenfenstern der Krypta darunter.



Dahinter schließt der ehemalige Kreuzgang mit Konventsgebäuden an,
in denen heute ein Museum untergebracht ist.



Doch zurück zum Ostabschluss ...



... und den wohl einzigartig verwitterten Fenstern der Krypta darunter.



An der Nordseite des Langhauses ...



... sind noch diese verwitterten Halbsäulen zu sehen.



Im Innenhof befindet sich der Zugang zur Krypta
durch die eckige Türe ganz rechts.



Auch hier wurde derselbe, leicht verwitternde Sandstein verwendet,
der heute nur noch runde Konturen aufweist.



Errichtet um 1200, 
als in Deutschland nur noch selten Krypten gebaut wurden,
ist diese Krypta besonders reich ausgeschmückt.

Die Gewölbe des Hauptraums 
werden von sechs Wand- und vier Freisäulen getragen. 



Sie weist drei Schiffe und drei Joche auf ...



... sowie eine eingezogene Altarnische mit zwei Sakramentsnischen.



Hier hängt nur ein schlichtes Kreuz und eine Kerze brennt.



Die Kreuzgratgewölbe 
sind von geringen Ausmaßen und sehr massiv ...



... mit Blendbögen über den Fenstern.



Untypisch für andere Krypten ...



... befinden sich auch an den Seitenwänden kleine Fenster.



Die Rundsäulen haben zum Teil stark verwitterte Kapitelle, ...


 
... die neben einer reichen Pflanzen- und Tierornamentik 
auch einfache kelchartige Formen besitzen wie oben im Langhaus.



Die Rankenkapitelle lassen niederrheinischen Einfluss erkennen
und könnten schon im späten 12. Jhdt. entstanden sein.



Die Säulenbasen weisen an ihren Ecken ...



... ebenfalls Blattschmuck auf.



Durch einen der beiden Zugänge
geht's hinauf in die weiteren Museumsräume.



Auch hier erwarten einen 
romanischen Rundbogenportale wie aus dem Bilderbuch.



In der ehemaligen Sakristei ...



... ist eine hölzerne "Anna Selbdritt" aus um 1500 ausgestellt, ...



... in diesem atelierartigen Raum 
Reste der gotischen Maßwerkfenster.



Hier ein römisches Säulenkapitell aus einem Gutshof in Memleben,
das vielleicht früher im Kapitelsaal seine Verwendung hatte.



In der Fassade des Museums ...



... sind ebenfalls noch Details aus alten Zeiten erhalten 
wie dieses Portal mit Inschrift ...



... und dieses Steinkreuz.



Auch im Inneren des Museums tauchen noch alte Gewölbe auf ...



... einige davon sind auch heute im Einsatz und gut erhalten.



Hier eine Nachbildung des Fenstersturzes
"Tod des Gerechten". 



In der Nähe von Memleben wurde 1999
die so genannte "Himmelsscheibe von Nebra" gefunden,
eine kreisförmige Bronzeplatte mit Goldapplikationen, 
die offenbar astronomische Phänomene und religiöse Symbole darstellen.

Ihr Alter wird auf 3.400 - 4.100 Jahre geschätzt,
also aus der frühen Bronzezeit,
sie gilt als die älteste bewegliche Darstellung des Himmels.



Auch Duplikate von Urkunden,
die Heinrich der I. unterfertigt hat, ...



... gibt es hier zu sehen.



Vor einem alten Rundbogenfenster ...



... steht ein durchsichtiges Modell der riesigen Kirche ...



... mit den wenigen Mauerteilen gekennzeichnet, 
die heute noch stehen.

Lange glaubte man, dass diese Mauern die Reste der Königspfalz seien,
die es hier einmal gab, doch heute vermutet man diese auf der Burg Wendelstein,
aber auch die Altenburg in Wangen wird in Erwägung gezogen.



Hier eine eindrucksvolle Darstellung aller Reichsklöster 
zur Zeit Kaiser Ottos II.:

Die schwarzen Reichsabteien waren mit männlicher,
die roten mit weiblicher "Belegschaft" besetzt. 


Im Bauernkrieg wurde das Kloster 1525 von aufständischen Bauern geplündert
und 1548 infolge der Reformation endgültig aufgehoben.

1551 wurden die zugehörigen Güter vom sächsischen Kurfürsten eingezogen
und der kurz zuvor gegründeten Landesschule Pforta geschenkt,
die diese bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behielt.

1722 zerstörte ein Blitz das Kirchendach der alten Klosterkirche,
Jahre später wurde damit begonnen, die Kirche abzubrechen,
1793 wurde sie als Getreidemagazin genutzt.

1833 wird erstmals für die Sicherung der noch vorhandenen Bausubstanz gesorgt,
insbesondere der Krypta.

Die Ruine der Kirche aus dem 10. Jhdt. wurde lange irrtümlich 
als Rest eines kaiserlichen Palasts angesehen,
erst 1936 befreite man die jüngere Kirche von Schutt
und entdeckte bei Grabungen die Fundamente der älteren Kirche.




Absolut sehenswert,

wenn auch etwas abgelegen!








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